Eine einzige Scheibe, bestehend aus Zahn- und Prothesenbasismaterial, aus der eine fertige Prothese in einem ununterbrochenen Fräsvorgang gefertigt wird, das ist Ivotion. Da kommen einige Fragen auf: «Wie ist das möglich?» Und: «Funktioniert das überhaupt?» Und überhaupt: «Ist die Prothese dann ‘stark’ genug?»

Mit der Einführung von Ivotion, einer einzigen Scheibe zur Herstellung von monolithischen Totalprothesen in nur einem Fräsvorgang, hat Ivoclar die digitale abnehmbare Prothetik einen weiteren revolutionären Schritt vorangebracht. Ivotion kombiniert auf intelligente Weise hochwertiges und bewährtes Zahn- und Prothesenbasismaterial in einer einzigen zweifarbigen Scheibe und bietet digital arbeitenden Dentallabors eine effiziente, vorhersehbare monolithische Lösung. Der Clou dabei: eine spezielle Geometrie im Inneren der Scheibe in Kombination mit einem homogenen Verbund von hochwertigen PMMA-Materialien sorgt für zuverlässige, dauerhaft stabile und einfach anzufertigende Ergebnisse.

Monolithische Totalprothesen

Abb. 1:
Ivotion – Zahn- und Gingivamaterial in einer monolithischen Scheibe, geeignet für permanente Totalprothesen.

Eine Prothese aus einer Scheibe, die aus zwei Materialien besteht. Wie gut sind die Prothesen wirklich?

Im Laufe der Zeit und als Ergebnis zahlreicher Untersuchungen haben sich das Prothesenbasismaterial sowie der Verbund von Prothesenbasis und Zähnen (Zahnverlust) als die beiden grössten ‘Schwachstellen’ von herausnehmbaren Prothesen verifiziert. Die Studie Dorner, S., Zeman, F., Koller, M., Lang, R., Handel, G., and Behr, M. (2010) Clinical performance of complete dentures: a retrospective study, Int J Prosthodont 23, 410-417. belegt zum Beispiel, dass herausnehmbare Prothesen zwar grundsätzlich eine sehr lange Lebensdauer haben (im Schnitt 15,8 Jahre im Unterkiefer und 19,4 Jahre im Oberkiefer). In einem Betrachtungszeitraum von 1984 bis 2009 kam es aber dabei bei 5,8% der Patienten zum Bruch der Prothesenbasis und bei 5.8 % (zwei Prothesen) bzw. 10,9% (eine Prothese) der Patienten sogar zu einem ‘Zahnverlust’.

Ein hochqualitatives Prothesenbasismaterial und ein guter Verbund zum Zahnmaterial sind also von entscheidender Bedeutung. Für beide Problemstellungen bietet Ivotion eine sehr gute Lösung – und das in einem kombinierten Materialansatz und in nur einem einzigen Fräsvorgang.

Die Materialqualität

Die beiden für Ivotion in der intensiven Forschung entwickelten Zahn- und Gingivamaterialien bauen auf den Zusammensetzungen von etablierten und klinisch bewährten Produkten auf. Sie gewährleisten damit die Verwendung für permanente Versorgungen in der Totalprothetik.

So erfüllen das Zahn- und Gingivamaterial neben den ohnehin sehr hohen und anspruchsvollen internen Qualitätskriterien von Ivoclar Vivadent AG auch die Anforderungen von Normen ähnlicher Produkte.

Die Materialprüfungen fanden dazu in Anlehnung[1] an EN ISO 10477:2018 (Zahnmaterial) und EN ISO 20795-1:2013 (Gingivamaterial) statt.

Der Verbund

Was Ivotion so einzigartig macht: Der Verbund zwischen Zahn- und Gingivamaterial findet ohne Verwendung einer haftvermittelnden dritten Komponente statt. Die beiden Materialien werden in einem Prozessschritt zusammen polymerisiert, vergleichbar mit der Herstellung von mehrschichtigen Konfektionszähnen für die abnehmbare Prothetik. Es ist daher von einem direkten, chemischen Verbund zu sprechen. Die Ivotion Scheibe kann somit als monolithisches Material bezeichnet werden. Der Materialübergang verläuft über die ganze Shell-Geometrie hinweg präzise und ist positionsgetreu ausgeprägt. Dies stellt ein entscheidendes Attribut für die Ästhetik der daraus gefrästen Prothesen dar.

  

Abb. 2:
Die abgebildete REM-Aufnahme (bei 150-facher Vergrösserung) zeigt den homogenen Übergang zwischen Zahn- und Gingivamaterial, welcher Ivotion zum monolithischen Material macht.
Nachweis des Materialverbunds mittels Scherverbundfestigkeit nach ISO 10477:2018

Die Scherverbundfestigkeit (auch Scherfestigkeitsprüfung genannt) ist eine Methode, die sehr etabliert ist und insbesondere für den Nachweis von Verbund bei Kronen- und Brückenmaterialien sowie Zahn- und Prothesenkunststoffen mit Charakterisierungsmaterialien angewendet wird. So war Sie auch zentraler Bestandteil bei der Entwicklung des gesamten Ivotion Denture Systems.

Die Norm ist erfüllt, wenn mindestens ein Scherverbundfestigkeitswerte von 5 MPa erreicht wird. Zusätzliche interne Anforderung ist die Erreichung eines kohäsiven Bruchbildes, dies bedeutet, dass nicht die Verbundfläche, sondern das Material ausbricht. Hohe Messwerte und vollständig kohäsive Brüche belegen einen starken Materialverbund.

  

Abb. 3:
Aufbau der Scherverbundsfestigkeitsprüfung. Die Abbildung zeigt das nach den Vorgaben der Norm gestaltete Prüfmittel, bei welchem der Prüfkörper mit der Schraube und der Positionierhilfe fixiert wird. Der mit einem genauen Abstand zum Prüfkörper versehene Schieber schert bei zunehmender Belastung den zylindrischen Teil des Prüfkörpers ab, wobei verschiedene Arten von Brüchen Auftreten können.
Methodik

Bei diesem Test wird nach Norm auf ein 5 × 10 × 15 mm großes Basisplättchen zylinderförmig ∅ 5 × 6mm Material aufgebracht und polymerisiert. Der aufpolymerisierte Zylinder wird anschließend in einer normierten Vorrichtung bis zum Bruch belastet. Aus der zum Bruch benötigten Kraft und dem Querschnitt des Zylinders wird danach die Verbundfestigkeit (Scherhaftfestigkeit in MPa) errechnet. Ergänzend wird das Bruchbild bewertet und in kohäsive und adhäsive Brüche unterteilt. Die Prüfung kann bei Ivotion nur in Anlehnung an die ISO erfolgen, da die Prüfkörper direkt aus dem Fräsrohling gewonnen werden (siehe Abbildung 4).

Die Messwerte von Ivotion erreichen im Durchschnitt über 30 MPa und weisen dabei ausschliesslich kohäsive Bruchbilder auf. Die Anforderungen an den Materialverbund werden somit deutlich erfüllt.

  

Abb. 4:
Abbildung der Prüfkörper für die Scherverbundfestigkeit. Links gefräste Prüfkörper noch in einer Ivotion Scheibe, rechts exemplarische Prüfkörper nach erfolgter Prüfung mit kohäsivem Bruchbild.

  

Diagramm 3:
Scherverbundfestigkeitswert von Ivotion in Anlehnung an ISO10477:2018, interne Messung. Dargestellt sind Beispielwerte. Die grüne Linie stellt die Mindestanforderungen (≥ 5 MPa) nach Norm dar.
Der Schlüssel zur beeindruckenden Effizienz
Ivotion kombiniert Zahn- und Prothesenbasismaterial in einer Scheibe. Mit Ivotion ist es möglich, digitale Prothesen aus einer einzigen Scheibe in einem ununterbrochenen Fräsvorgang zu fertigen, ohne aufwendige manuelle Arbeitsschritte.
Fazit

Ivotion von Ivoclar kombiniert auf intelligente Weise hochwertiges und bewährtes Zahn- und Prothesenbasismaterial. In der monolithischen Scheibe befindet sich die einzigartige Shell Geometry, eine auf realen Prothesendaten basierende, dreidimensionale Zahn- und Zahnbogengeometrie, die den Übergang zwischen Zahn- und Prothesenbasismaterial definiert. Mit dem Full Denture Modul im 3Shape Dental System  lassen sich Prothesen patientenspezifisch individualisieren. Das Verkleben der Zähne mit der Prothesenbasis entfällt mit dem Einsatz von Ivotion und reduziert so potentielle Problemstellen. Ebenso überzeugt das PMMA-Material durch seine optimierte Bruchresistenz.

Getreu dem Motto: «Design. Mill. Finish.» werden die Totalprothesen in einem schnellen, ununterbrochenen Fräsvorgang in einer PrograMill-Fräsmaschine gefertigt und müssen nur noch poliert werden. Ivotion ist der Schlüssel zu beeindruckender Effizienz: patientenindividuelle, monolithische Totalprothesen in einem nahtlosen Workflow mit weniger manuellen Arbeitsschritten.

Über den Autor

Roger Frei ist Research Associate im Bereich Forschung und Entwicklung von Ivoclar Vivadent AG. 17 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von innovativen Materialien und Systemen für die abnehmbare Prothetik, insbesondere der Prothesenkunststoffe, machen Ihn zu einem erfahrenen Know-How-Träger. Neben der Optimierung des konventionellen Prothetik-Produktsortiments, steht die Erweiterung von Produkten und Werkstoffen für die digitale Fertigung von abnehmbarem Zahnersatz die letzten Jahre im Fokus seiner Tätigkeit.